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Bitte um Wiederherstellung des Zion
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Psalm 102 ist in der Lutherbibel überschrieben mit „Gebet um die Wiederherstellung Zions“. Sofort kommt mir das Adventslied in den Sinn:
Tochter Zion, freue dich! Jauchze laut Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir Ja, er kommt, der Friedefürst.
In den Strophen zwei und drei heißt es: Gründe nun dein ewig Reich. Und: Ewig steht dein Friedensthron.
Diese Bilder der Hoffnung sind für den Psalmbeter jedoch unendlich weit weg. Mir begegnet in dem Psalm ein zutiefst verzweifelter Mensch. Er schüttet seine Klage wie einen Eimer mit schmutzigem Wasser vor die Füße Gottes. Elend und Schmerz schreien aus ihm heraus. Das Herz ist geschlagen. Die Gebeine kleben an der Haut. Tränen fließen. Angst wütet in der Seele. Es tobt und grollt großes Unglück in Seele, Geist und Körper. Die Bilder des Schreckens kommen mir so bekannt vor, wenn ich in diesen Tagen die Nachrichten einschalte. Ich sehe die Eulen und Käuzchen vor mir, wie sie in den Trümmern sitzen. Ein einsamer Vogel sitzt auf dem Dach eines zerbombten Hauses. Bilder aus der Ukraine ziehen vor meinem geistigen Auge vorbei, Bilder aus Nahost.
Was mich gleich zu Beginn des Psalms beeindruckt: Es gibt eine Adresse für Sorgen, für Ängste, für den Schmerz. „Herr, höre mein Gebet und lass mein Schreien vor dich kommen!“ So beginnt der Bußpsalm. Sich von Gott verlassen fühlen und genau das mit Gott zu besprechen, das ist eine Kunst des Glaubens. Den Himmel auf die Erde herunterbrechen, das kann nur das Gebet. „Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not. Neige deine Ohren zu mir! Wenn ich dich anrufe, Gott, so erhöre mich bald!“ Die Kraft zum Durchhalten wird nicht mehr lange reichen. In der Bibel ringt der Mensch immer wieder mit Gott. Das wird ewig ein ungleicher Kampf bleiben. Doch der Gott, an den Juden und Christen glauben, ist ein Gott, der sich das gefallen lässt. Gott sieht wirklich hin. Gott neigt nicht nur sein Ohr, um das Elend seiner Geschöpfe zu hören. Gott neigt sich zu uns Menschen und kommt selbst hinein in unsere Dunkelheit, in unseren Schmerz, in unsere Schuld. Tochter Zion, freue dich. Sieh, dein König kommt. Das feiern wir als christliche Gemeinde. Gott wird Mensch und bringt Licht in unsere dunkle Welt.
In der Beschreibung des Elenden spiegelt sich sogar die Weise, wie Gott zu uns kommt. Er kommt zwar als König, aber verkleidet in Lumpen, hilflos in einer Futterkrippe liegend. Er wird keinen festen Wohnsitz haben. Er wird kein Schloss haben. Er wird verspottet und verhöhnt werden. Sein Trank ist gemischt mit Tränen. Seine Gebeine kleben an der Haut vor Heulen und Seufzen. Das alles hat Gott in Jesus Christus selbst erduldet und durchlitten bis zum bitteren Tod.
Der Psalmbeter sieht plötzlich durch das Dunkel hindurch. Plötzlich hat er helle Bilder vor Augen. Der Herr baut Zion wieder auf. Der Herr sieht vom Himmel auf die Erde. Er hört das Seufzen der Gefangenen und macht die Kinder des Todes los. Vielleicht etwas zu schlicht kann man sagen: Am Ende wird alles gut werden. Das bleibt kein frommer Wunsch. Der Psalmbeter kennt die Verheißungen der Heiligen Schrift. Zion wird wieder aufgebaut werden. Selbst die Heiden werden Gott fürchten und loben, so auch alle Könige auf Erden. Alle Völker werden zusammenkommen und Gott dienen.
Noch einmal wendet sich das Blatt in diesem Gebet. Der Beter schaut noch einmal auf sich. Er ist noch gar nicht so alt. Seine Kraft ist von ihm gewichen. Er hat Angst, bald zu sterben und das viel zu früh. „Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Jahre“, fleht er. Die ersten Zeilen des Gebets wirkten auf mich fast wie der Abschiedsbrief eines Lebensmüden. Doch die Bitte an Gott ums Weiterleben zeigt: Dieser Mensch erwartet noch etwas vom Leben, und vor allem von Gott. Er will leben. Er will sehen, wie Gott das Elend in Herrlichkeit wendet. Er möchte nicht sterben, eigentlich weder jung noch alt. Er will sehen, wie sich die Verheißungen Gottes vor seinen Augen erfüllen.
Der Schriftsteller Heinrich Böll schrieb im Frühjahr 1985 kurz vor seinem Tod sein letztes Gedicht. Seine Enkelin Samay hatte ein Poesiealbum. Sie fragte ihren Großvater, ob er ihr etwas hineinschreibt. Böll schrieb das hinein, was er seiner Enkelin sagen wollte, nicht als großer Schriftsteller, nicht als Literaturnobelpreisträger, sondern einfach nur als Großvater:
Wir kommen weit her
liebes Kind
und müssen weit gehen.
Keine Angst,
alle sind bei Dir,
die vor Dir waren,
Deine Mutter,
Dein Vater.
Und alle, die vor ihnen waren,
weit, weit zurück,
alle sind bei Dir,
keine Angst,
wir kommen weit her
und müssen weit gehen,
liebes Kind.
Dein Großvater
So tröstete Heinrich Böll seine Enkelin. Alle Menschen sind miteinander verbunden. Wir kommen weit her und müssen weit gehen. Auf diesen Wegen, seien sie kurz oder lang, ist Gott der Ewige. Er bleibt. Er geht mit. Die Verheißungen Gottes, die sich nicht mehr in meinem Leben erfüllen, erfüllen sich trotzdem. Es gibt immer Zeitzeugen des Handeln Gottes. Das ist ein Trost. Wir Christinnen und Christen wissen, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Wir wissen auch, dass Jesus wiederkommen wird. Wir wissen, dass Zion sich freuen kann. Jerusalem wird sich freuen. Tochter Zion wird jauchzen. Auch wenn ich das nicht mehr erlebe, wird es geschehen. Menschenaugen werden es sehen. Münder werden sich öffnen und Gott dafür loben. Das glauben wir auch für die, die noch nicht geboren sind. Ja, er kommt der Friedefürst. Er ist schon einmal gekommen und hat versprochen wiederzukommen.
Autor: Dr. Gabriele Bosch
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350 bölüm
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Psalm 102 ist in der Lutherbibel überschrieben mit „Gebet um die Wiederherstellung Zions“. Sofort kommt mir das Adventslied in den Sinn:
Tochter Zion, freue dich! Jauchze laut Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir Ja, er kommt, der Friedefürst.
In den Strophen zwei und drei heißt es: Gründe nun dein ewig Reich. Und: Ewig steht dein Friedensthron.
Diese Bilder der Hoffnung sind für den Psalmbeter jedoch unendlich weit weg. Mir begegnet in dem Psalm ein zutiefst verzweifelter Mensch. Er schüttet seine Klage wie einen Eimer mit schmutzigem Wasser vor die Füße Gottes. Elend und Schmerz schreien aus ihm heraus. Das Herz ist geschlagen. Die Gebeine kleben an der Haut. Tränen fließen. Angst wütet in der Seele. Es tobt und grollt großes Unglück in Seele, Geist und Körper. Die Bilder des Schreckens kommen mir so bekannt vor, wenn ich in diesen Tagen die Nachrichten einschalte. Ich sehe die Eulen und Käuzchen vor mir, wie sie in den Trümmern sitzen. Ein einsamer Vogel sitzt auf dem Dach eines zerbombten Hauses. Bilder aus der Ukraine ziehen vor meinem geistigen Auge vorbei, Bilder aus Nahost.
Was mich gleich zu Beginn des Psalms beeindruckt: Es gibt eine Adresse für Sorgen, für Ängste, für den Schmerz. „Herr, höre mein Gebet und lass mein Schreien vor dich kommen!“ So beginnt der Bußpsalm. Sich von Gott verlassen fühlen und genau das mit Gott zu besprechen, das ist eine Kunst des Glaubens. Den Himmel auf die Erde herunterbrechen, das kann nur das Gebet. „Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not. Neige deine Ohren zu mir! Wenn ich dich anrufe, Gott, so erhöre mich bald!“ Die Kraft zum Durchhalten wird nicht mehr lange reichen. In der Bibel ringt der Mensch immer wieder mit Gott. Das wird ewig ein ungleicher Kampf bleiben. Doch der Gott, an den Juden und Christen glauben, ist ein Gott, der sich das gefallen lässt. Gott sieht wirklich hin. Gott neigt nicht nur sein Ohr, um das Elend seiner Geschöpfe zu hören. Gott neigt sich zu uns Menschen und kommt selbst hinein in unsere Dunkelheit, in unseren Schmerz, in unsere Schuld. Tochter Zion, freue dich. Sieh, dein König kommt. Das feiern wir als christliche Gemeinde. Gott wird Mensch und bringt Licht in unsere dunkle Welt.
In der Beschreibung des Elenden spiegelt sich sogar die Weise, wie Gott zu uns kommt. Er kommt zwar als König, aber verkleidet in Lumpen, hilflos in einer Futterkrippe liegend. Er wird keinen festen Wohnsitz haben. Er wird kein Schloss haben. Er wird verspottet und verhöhnt werden. Sein Trank ist gemischt mit Tränen. Seine Gebeine kleben an der Haut vor Heulen und Seufzen. Das alles hat Gott in Jesus Christus selbst erduldet und durchlitten bis zum bitteren Tod.
Der Psalmbeter sieht plötzlich durch das Dunkel hindurch. Plötzlich hat er helle Bilder vor Augen. Der Herr baut Zion wieder auf. Der Herr sieht vom Himmel auf die Erde. Er hört das Seufzen der Gefangenen und macht die Kinder des Todes los. Vielleicht etwas zu schlicht kann man sagen: Am Ende wird alles gut werden. Das bleibt kein frommer Wunsch. Der Psalmbeter kennt die Verheißungen der Heiligen Schrift. Zion wird wieder aufgebaut werden. Selbst die Heiden werden Gott fürchten und loben, so auch alle Könige auf Erden. Alle Völker werden zusammenkommen und Gott dienen.
Noch einmal wendet sich das Blatt in diesem Gebet. Der Beter schaut noch einmal auf sich. Er ist noch gar nicht so alt. Seine Kraft ist von ihm gewichen. Er hat Angst, bald zu sterben und das viel zu früh. „Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Jahre“, fleht er. Die ersten Zeilen des Gebets wirkten auf mich fast wie der Abschiedsbrief eines Lebensmüden. Doch die Bitte an Gott ums Weiterleben zeigt: Dieser Mensch erwartet noch etwas vom Leben, und vor allem von Gott. Er will leben. Er will sehen, wie Gott das Elend in Herrlichkeit wendet. Er möchte nicht sterben, eigentlich weder jung noch alt. Er will sehen, wie sich die Verheißungen Gottes vor seinen Augen erfüllen.
Der Schriftsteller Heinrich Böll schrieb im Frühjahr 1985 kurz vor seinem Tod sein letztes Gedicht. Seine Enkelin Samay hatte ein Poesiealbum. Sie fragte ihren Großvater, ob er ihr etwas hineinschreibt. Böll schrieb das hinein, was er seiner Enkelin sagen wollte, nicht als großer Schriftsteller, nicht als Literaturnobelpreisträger, sondern einfach nur als Großvater:
Wir kommen weit her
liebes Kind
und müssen weit gehen.
Keine Angst,
alle sind bei Dir,
die vor Dir waren,
Deine Mutter,
Dein Vater.
Und alle, die vor ihnen waren,
weit, weit zurück,
alle sind bei Dir,
keine Angst,
wir kommen weit her
und müssen weit gehen,
liebes Kind.
Dein Großvater
So tröstete Heinrich Böll seine Enkelin. Alle Menschen sind miteinander verbunden. Wir kommen weit her und müssen weit gehen. Auf diesen Wegen, seien sie kurz oder lang, ist Gott der Ewige. Er bleibt. Er geht mit. Die Verheißungen Gottes, die sich nicht mehr in meinem Leben erfüllen, erfüllen sich trotzdem. Es gibt immer Zeitzeugen des Handeln Gottes. Das ist ein Trost. Wir Christinnen und Christen wissen, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Wir wissen auch, dass Jesus wiederkommen wird. Wir wissen, dass Zion sich freuen kann. Jerusalem wird sich freuen. Tochter Zion wird jauchzen. Auch wenn ich das nicht mehr erlebe, wird es geschehen. Menschenaugen werden es sehen. Münder werden sich öffnen und Gott dafür loben. Das glauben wir auch für die, die noch nicht geboren sind. Ja, er kommt der Friedefürst. Er ist schon einmal gekommen und hat versprochen wiederzukommen.
Autor: Dr. Gabriele Bosch
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