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MUSSOLINIS ENDE – Die Republik von Salò
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Im Sommer 1943 wird Mussolini gestürzt und festgesetzt, wenige Wochen später aber von deutschen Fallschirmjägern befreit. Kurz darauf gründet er südlich der Alpen die "Republik von Salò", in der er versucht, als Staatschef von Hitlers Gnaden einen noch radikaleren Faschismus durchzusetzen. Das Unternehmen endet im Desaster. Von: Rainer Volk (BR 2023)
Credits
Autor: Rainer Volk
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Rahel Comtesse, Christian Jungwirth, Peter Weiß, Silke von Walkhoff
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Amedeo Osti Guerazzi, Roberto Vivarelli
Linktipps:
Deutschlandfunk (2025): Mussolini – Italiens Weg in den Faschismus
Benito Mussolini war bereits fast drei Jahre lang Ministerpräsident, als er am 3. Januar 1925 endgültig den Weg Italiens in die Diktatur ebnete. Er übernahm öffentlich die Verantwortung für den Mord an einem politischen Gegner. JETZT ANHÖREN
ZDF (2023): Mussolini – Der erste Faschist
Er gilt als Erfinder des Faschismus: der Diktator Benito Mussolini. Über zwei Jahrzehnte lang steht er an der Spitze Italiens und stürzt am Ende sein Land in die Katastrophe. JETZT ANSEHEN
Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:
Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
OT 1 Kriegserklärung Italien an Frankreich/GB am 10.6.1940
Rufe „Duce, Duce, Duce“ – L’ora delle decisione…
MUSIK
Erzähler:
Die Stunde der Entscheidung ist da, ruft Benito Mussolini am 10. Juni 1940, als er Frankreich und Großbritannien den Krieg erklärt. Die Menschen auf dem Platz vor dem Palazzo Venezia in Rom jubeln. Entscheidend ist dieser Tag in der Tat. Mit ihm beginnt auch die Geschichte der Republik von Salò. – Denn der 2.Weltkrieg überfordert Mussolinis Diktatur: Zwei Feldzüge in Äthiopien und Libyen haben Italien viel Kraft gekostet. Es ist Hitlers Blitzfeldzug durch Frankreich, der Mussolini in den Krieg lockt – er spekuliert auf einen Teil der Beute.
1943 hat Italien diese Hoffnungen begraben müssen. An allen Fronten ist das Bündnis mit dem NS-Regime, die so genannte „Achse“, in der Defensive. Amedeo Osti Guerazzi, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Padua sagt zur Kriegslage im Sommer 1943:
OT 2: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti-Guerazzi – Sommer 43
„The reports of the political police … in the hands of Hitler.”
Übersetzer:
“Die politische Polizei berichtete damals, dass die Menschen sauer waren über das Regime. Man wusste, der Krieg war verloren. Es war völlig sinnlos, gegen die Amerikaner zu kämpfen. Die Bombenangriffe der amerikanischen und britischen Luftwaffe hatten viele Städte bereits stark zerstört. Im Süden wie im Norden. Zudem hungerten die Italiener – Menschen starben, weil es nicht genug zu essen gab. Man war sich einig: Mussolini ist nur eine Marionette Hitlers.“
OT 3: Landung Sizilien
„Hello the OWI in New York – this is Allied Force Headquarters in North Africa. …
Erzähler:
Am 10.Juli 1943 merken alle, es wird ernst: Briten und Amerikaner beginnen die Invasion Siziliens. Die Landung führt dazu, dass Mussolinis Gefolgsleute das Vertrauen in ihn verlieren. Sie beantragen für den 24.Juli eine Sitzung des „Faschistischen Großrats“. Das Gremium hat seit 1939 nicht mehr getagt, ist eigentlich unnütz, meint Amedeo Osti Guerazzi:
OT 4: OV Amedeo Osti Guerazzi (Osti Guerazzi – Großrat)
„But it was the only way… to summon these hierarchs in the Gran Consiglio.”
Übersetzer:
“Aber es war der einzige Weg wie die Bonzen der Faschistischen Partei, Mussolini zwingen konnten etwas zu tun. Die intelligentesten unter ihnen hatten kapiert, dass der Krieg verloren war. Sie hatten Mussolini bekniet, den Faschismus zu retten – und damit sich selbst. Jetzt zwangen sie ihn zu handeln. Seltsamerweise ist er einverstanden – das Motiv ist bis heute unklar. Wir wissen nicht, weshalb er die Parteigrößen zum Faschistischen Großrat einberuft.“
MUSIK
Erzähler:
Man tagt zehn Stunden. Als ein Antrag gestellt wird, Mussolini das Kommando über die Streitkräfte zu entziehen und es König Viktor Emmanuel III. zu übertragen, schweigt der Duce. Prompt wird der Vorschlag angenommen. Konsterniert bittet Mussolini tags darauf um eine Audienz beim König. Dieser erklärt ihm dabei, er sei als Regierungschef entlassen und festgenommen.
OT 5: („Nachrichten des italienischen Rundfunks“ MB: W0030442Z00) - „Attenzione! Attenzione!... Pietro Badoglio.“
Erzähler:
Die Nachricht von Mussolinis Sturz ist eine Sensation. In Rom feiern die Menschen auf der Straße. Offiziell heißt es im Radio: Seine Majestät der König und Kaiser habe der Bitte Mussolinis entsprochen, ihn von den Ämtern als Ministerpräsident, Regierungschef und Staatssekretär zu entbinden. Diese Ämter seien Feldmarschall Pietro Badoglio übertragen worden.
Erzähler:
Ein 71jähriger General als Nachfolger eines Mannes, der für Millionen ein Idol war? Das bestürzt Millionen Italiener. Der Historiker Roberto Vivarelli erinnert sich, sein Vater habe als überzeugter Faschist von „Verrat“ gesprochen. Vivarelli lehrt nach dem Krieg Geschichte an italienischen Universitäten und forscht auch zu den Ursprüngen des Faschismus. Anfang dieses Jahrhunderts sorgt sein freimütiges Bekenntnis in Italien für Furore, der Staatsstreich gegen Mussolini 1943 sei für ihn als damals 13jährigen ein Schlag gewesen. Hier ein Ausschnitt eines Gesprächs mit Roberto Vivarelli aus dem Jahr 2004.
OT 6: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Staatsstreich
„Era colpito …all’interno di regime fascista stesso.“
Übersetzer II:
„Es war Frustration und auch Wut, weil es nicht möglich schien, dass die Dinge so enden würden. Wie Mussolini gestürzt wurde, schien für uns wie ein Verrat. Verrat seitens der Italiener, aber auch seitens einiger Faschisten, denn es war ja der Großrat, der den Sturz herbeiführte - gewissermaßen als Putsch innerhalb des faschistischen Regimes.“
Erzähler:
Die Hoffnungen des Monarchen in General Badoglio werden bald enttäuscht. Viktor Emmanuel hat Angst vor dem Kommunismus und einem Ende seines Königreichs. Gleichzeitig soll Badoglio die Deutschen daran hindern, Italien zu besetzen. Denn in Berlin ahnt man, dass Italien den Krieg gegen Briten und Amerikaner beenden will. So viele Probleme kann ein Polit-Neuling wie Badoglio nicht lösen, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi
OT 7: OV Amedeo Osti Guerazzi
„It was a failure, of course… where he was in the hands of the Anglo-Americans.”
Übersetzer:
“Das ging schief - klar. Das Einzige, was er schaffte, war auf Demonstranten gegen den Faschismus zu schießen. Er war unfähig, einen Waffenstillstand mit den Anglo-Amerikanern zu erreichen, der Hand und Fuß hatte. Er konnte die Rache der Deutschen nicht verhindern. Sie besetzten am 9./10.September das ganze Land. Daraufhin floh er mit dem König flugs in den äußersten Süden, nach Brindisi, wo er in den Händen der Alliierten war.“
MUSIK
Erzähler:
Die Schilderung zeigt, wie sich die Ereignisse überstürzen. Die Waffenruhe mit den Alliierten, die am 8. September 1943 publik wird, ist für die Deutschen Vorwand, ganz Nord- und Mittelitalien zu besetzen, Rom zu belagern und 800-tausend italienische Soldaten gefangen zu nehmen. Für Roberto Vivarelli, der in Siena lebt, ist die Einigung mit Amerikanern und Briten der Schlüsselmoment. Denn er zwingt alle sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen:
OT 8: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – 8. September
„Il momento decisivo … contre gli tedeschi.”
Übersetzer II:
„Der entscheidende Moment ist der 8. September, der Tag des Waffenstillstands. Denn ab da ging es bergab, sogar in einer kleinen Stadt wie Siena. Die Einwohnerschaft war gespalten. Es gab diejenigen, die für die eine Seite waren und diejenigen, die gar keine Haltung einnahmen. Die auf der anderen Seite zeigten sofort eine, sagen wir mal, positive Haltung zur Regierung des Südens. Also gegen die Deutschen. Entscheidend war also, für die Deutschen oder gegen die Deutschen zu sein.“
MUSIK
Erzähler:
Am 12. September befreien deutsche Fallschirmjäger Mussolini aus der Gefangenschaft in einem Hotel am Gran Sasso-Massiv. Für die Nazis ein Coup – auch der Empfang durch Hitler in dessen Hauptquartier in Ostpreußen. Dort erklärt dieser seinem einstigen Vorbild, SS und Wehrmacht seien nun die Herren in Italien. – Ein Eklat, den man durch eine Radiorede Mussolinis an seine Landsleute kaschieren will.
OT 9: Radio-Rede Mussolinis nach der Befreiung
„Camiceneri, italieni é italiane…
Erzähler:
Der Duce spricht an diesem 18. September aus München - sehr verhalten. Er verkündet, Italien werde den Kampf an der Seite Deutschlands wieder aufnehmen. - De facto ist die „Repubblica Sociale Italiana“, die er am 23. September 1943 ausruft, ein Staat von Hitlers Gnaden. Die erste Kabinettssitzung findet in der deutschen Botschaft in Rom statt. Da wissen aber alle schon, dass die Ministerien und Führungsriege des neuen Regimes an den Gardasee umziehen. Amedeo Osti Guerazzi:
OT 10: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – Saló
“First of all…it was secret.
Übersetzer:
Erstens lag Rom zu nahe an der Front. Zweitens verachtete Mussolini Rom, weil er hier verraten worden war am 25. Juli 43. Mailand war zu gefährlich - die US-Luftwaffe bombardierte die Stadt täglich. So kam man auf diesen Ort am Garda-See, in der Nähe wichtiger Nazi-Kommandostellen, wo ihn der SS-General Wolff überwachen konnte. Die Bezeichnung „Republik von Salò“ rührt daher, dass dort das Propaganda-Büro saß. So hieß es offiziell immer: „Salò sagt dieses, Salò berichtet jenes.“ Die Leute meinten, Mussolini sei dort. Aber wo er wirklich war, war geheim.“
OT 11: Musik Giovinezza - instrumental
Erzähler:
Zur Propaganda gehört auch, dass im Radio wieder die Faschisten-Hymne „Giovinezza“ ertönt. Auch das ein Zeichen, es ist alles wieder wie Juli 1943. Allerdings zieht Mussolini auch Lehren aus seinem Debakel. Das zeigt der offizielle Staatstitel „Repubblica Sociale Italiana“ – Italienische Sozialrepublik. Er soll an die populistischen Anfänge der faschistischen Partei im Jahr 1919 anknüpfen, sagt Amedeo Osti Guerazzi:
OT 12: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Name
„The first name, not given by Mussolini… against the monarchy, against the king, who betrayed him in July 1943.”
Übersetzer:
Zunächst dachten die Nazi-Bonzen – nicht Mussolini – als Bezeichnung an „Nationale Faschistische Regierung“. Mussolini wusste aber: der Begriff „Faschismus” kommt im September 1943 nicht mehr gut an bei den Leuten. Er argumentierte: Wir müssen zurück zum wahren Faschismus – dem sozialen Faschismus, populistischen Faschismus. So entstand “Italienische Sozialrepublik“. Klar, das ging auch gegen die Monarchie - den König, der ihn im Juli 43 verraten hat.“
MUSIK
Erzähler:
Im Alltag führt das zu einer Radikalisierung: einer verschärften Zensur, Polizei und Gestapo verstärken erheblich die Verfolgung der Juden – tausende landen nun in deutschen Vernichtungslagern in Osteuropa. Wer politisch missliebig ist, landet im Gefängnis. Drakonische Maßnahmen, die Italien spalten. Eine Minderheit der Bevölkerung bleibt Mussolini treu; eine Mehrheit wartet ab oder leistet Widerstand. Schätzungen zufolge schließen sich 150-tausend Männer und Frauen Partisanen- und Widerstandsgruppen an - „Partigiani“ oder „Resistenza“ genannt.
MUSIK
Erzähler:
Berühmt – und in unzähligen Versionen nachgesungen – wird ab Herbst 1943 die Partisanen-Hymne „Bella ciao“, ursprünglich ein Volkslied. Der Text handelt vom Abschied eines Partisanen von seiner Geliebten, ehe er sich in den Bergen versteckt. Der „Eindringling“, der besungen wird, sind die deutschen Besatzer Italiens.
Erzähler:
Die Fronten werden unübersichtlich, was das Misstrauen wachsen lässt und tausende italienische Zivilisten das Leben kostet. Berüchtigt sind die Massaker deutscher Soldaten in Orten wie Sant‘ Anna di Stazemma unweit von Pisa und Marzabotto bei Bologna. Auch in Rom schlagen die deutschen Besatzer erbarmungslos zu:
OT 14: Atmo „Fosse Ardeatine“
Erzähler:
Eine Landstraße im Süden der italienischen Hauptstadt windet sich an den Ardeatinischen Höhlen vorbei. Der Weg in die Gedenkstätte dort führt durch ein schmiedeeisernes Tor in einen weiten Innenhof, von dem aus man Gänge sieht. Am 24. März 1944 erschießt die SS hier per Genickschuss 335 italienische Geiseln, darunter 75 Juden – Vergeltung für einen Bombenanschlag der Widerstandsbewegung tags zuvor in Rom. – In den Höhlengängen sind zur Erinnerung steinerne Tafeln angebracht; in einem Mausoleum stehen die Särge der Hingerichteten – eine düstere Szenerie.
MUSIK
Erzähler:
Militärstrategen nennen Kriege zwischen Staats-Armeen und kleinen Guerrilla-Gruppen „asymmetrisch“. Sie sind zäh, verlustreich, kaum zu gewinnen. Deshalb akzeptieren die Deutschen widerwillig Truppen der Republik von Salò an ihrer Seite, vor allem für den „Partisanen-Kampf“. Hier zeigt sich deren militärischer Wert, sagt der Experte Amedeo Osti Guerazzi:
OT 15: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Truppen
„They were quite effective fighting against the partisans… Alessandro Pavolini was wounded – on the back, by the way.”
Übersetzer:
„Sie waren nützlich– einige von ihnen zumindest waren ganz gut. Die so genannten “Schwarzen Brigaden”, die Miliz der faschistischen Partei, waren dagegen ein Desaster: Wirkungslos, disziplinlos, ohne Material und Waffen
Erzähler:
Trotz der mangelhaften Ausrüstung ihrer Gegner tun sich Amerikaner und Briten schwer auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Erst Anfang Juni 1944 erreichen sie Rom. Die Stadt ist schwer mitgenommen, schreibt die Schriftstellerin Elsa Morante, eine Römerin, später in ihrem Roman „La storia“:
MUSIK
Zitatorin:
„In den letzten Monaten der deutschen Besatzung nahm Rom das Aussehen gewisser indischer Metropolen an, wo nur die Aasgeier ihr Futter bekommen.“
OT 17: Roosevelt – Rom ist gefallen
„Ladies and gentleman – the President of the United States. - My friends, yesterday… one up – two to go.”
Erzähler:
Anlässlich der Befreiung spricht in den USA Präsident Roosevelt im Radio. Die Deutschen haben Rom zur „offenen Stadt“ erklärt – sie wird nicht verteidigt. Roosevelt sagt: Dies ist die erste befreite Hauptstadt der Hitler-Allianz. Eine ist geschafft – zwei stehen noch aus.
Erzähler:
Die Symbolik der Befreiung Roms kann kaum überschätzt werden – hinter der reinen Machtfrage, wem die Hauptstadt gehört, verbirgt sich ein ideologischer Kontext. Deshalb habe der Verlust Roms dazu geführt, dass sich die weltanschauliche Perspektive der Faschisten von Salò weiter verschärft, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi:
OT 18: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – Bedeutung Rom
“Because since summer 1944 the fascists didn’t consider them (as) Italians anymore. … And the Italians were part of this plot against this Europe.”
Übersetzer:
“Ab Sommer 1944 betrachteten sich die Faschisten nicht mehr als Italiener, sondern als Verteidiger der Festung Europa, der europäischen Zivilisation. Sie wurden Nazi-Faschisten, versuchten, wie die Deutschen zu sein, so hart, so erbarmungslos, so verschlagen. Ihr Kampf als Faschisten richtete sich gegen Italiens Bevölkerung. Daher die blutigen Aktionen gegen Zivilisten. Daher sind die Faschisten dieser Zeit im kollektiven Gedächtnis Italiens so verhasst.“
Erzähler:
Das Überleben von Mussolinis Marionetten-Regime in Oberitalien wird dadurch erleichtert, dass Briten und Amerikaner im Herbst 1944 das Interesse an diesem Krieg verlieren. Sie ziehen ihre kampfstärksten Truppen ab nach Frankreich. So können Wehrmacht und Salò-Soldaten die „Goten-Stellung“, eine Verteidigungslinie von Carrara in Ligurien bis Pesaro an der Adria lange halten. Trotzdem verlässt Mussolini die Region am Gardasee kaum noch. Roberto Vivarelli, damals inzwischen 15, berichtet noch Jahrzehnte später von der Not bei seinen Einsätzen gegen Partisanen in Piemont und gegen Briten und Amerikaner bei Bologna.
OT 20: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Verpflegung
„Mentre in vece … mangiaba molto male.“
Übersetzer II:
„Verpflegung gab es nicht. Wenn, dann einmal in der Woche riesige Laibe Schwarzbrot. Ich erinnere mich an Stempel mit einem Datum darauf – sie waren Monate alt. Und dann hatten wir eine Art Salami und einige Bonbons, die angeblich Vitamine enthielten. In Piemont war die Versorgung ein Problem. Tatsächlich haben wir sogar versucht, Mehl von den Bauern zu bekommen und ab und zu auch ein paar Hühner zu stehlen, um sie an Ort und Stelle zu kochen, denn sonst war die Verpflegung wirklich übel.“
MUSIK
Erzähler:
Als Briten und Amerikaner Anfang April 1945 ihre Schlussoffensive starten, geht es mit Mussolinis Pseudo-Staat rasch zu Ende. Am 25.April stehen die Alliierten vor Mailand und die Partisanen rufen einen allgemeinen Aufstand aus. Mussolini sucht mit seiner Geliebten Claretta Petacci Schutz bei einem Trupp deutscher Soldaten, der nordwärts zieht, aber am Comer See von Partisanen gestoppt wird. Das besiegelt sein Schicksal. Stolz berichten einige der Partisanen später, wie sie das Paar am 28. April 1945 kurzerhand erschießen. Anschließend bringen sie die Leichen nach Mailand, wo sie geschändet kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt werden. Auch mit anderen Bonzen des Regimes wie Parteichef Pavolini macht man kurzen Prozess. Es beginnt eine Welle von Säuberungen. Schätzungen zufolge werden allein 1945 zwischen 5- und 8000 Gefolgsleute der Republik von Salò gelyncht. 10-tausende verlieren ihre Arbeitsplätze. Bis 1948 eine Amnestie kommt, sind viele politisch aktive Mussolini-Anhänger zu den Christdemokraten gewechselt. Dort ist es sicherer als im neu gegründeten „Movimento Sociale Italiana“, der an den Faschismus anknüpfen will. In derlei ultrarechten Gruppierungen der italienischen Nachkriegszeit sieht der Historiker Amedeo Osti Guerazzi das bleibende Erbe der Republik von Salò – und bezieht die „Fratelli d’Italia“ der derzeitigen Regierungschefin Georgia Meloni mit ein.
OT 22: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – MSI
„Movimento Sociale italiana … Italian Social Republic.”
Übersetzer:
“Italienische Sozialbewegung, Italienische Sozialrepublik – das soll Erinnerungen wecken. Erster Präsident des Movimento war Rodolfo Graziani, Verteidigungsminister und Generalstabschef von 1943 bis ’45. Bis in die 1970er Jahre war der ideologische Spielraum des Movimento gering. Dann machte Silvo Berlusconi den rechten Flügel akzeptabel. Und Georgia Meloni ist die Tochter einer langen, langen Geschichte. Auch wenn ich sie nicht für eine Faschistin halte, liegen die Wurzeln ihrer Partei in der Italienischen Sozialrepublik.“
MUSIK
Erzähler:
Der Marionettenstaat Hitlers wirft in Italien also Schatten bis heute. Benito Mussolinis Leiche wird 1945 übrigens zunächst anonym verscharrt, dann ausgegraben und in einen Sarkophag gelegt. Predappio, sein Geburtsort, wo der Sarkophag ausgestellt ist, gilt als Wallfahrtsstätte für Neofaschisten. Nicht wenige kommen in schwarzen Hemden.
376 bölüm
Manage episode 459082492 series 2822647
Im Sommer 1943 wird Mussolini gestürzt und festgesetzt, wenige Wochen später aber von deutschen Fallschirmjägern befreit. Kurz darauf gründet er südlich der Alpen die "Republik von Salò", in der er versucht, als Staatschef von Hitlers Gnaden einen noch radikaleren Faschismus durchzusetzen. Das Unternehmen endet im Desaster. Von: Rainer Volk (BR 2023)
Credits
Autor: Rainer Volk
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Rahel Comtesse, Christian Jungwirth, Peter Weiß, Silke von Walkhoff
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Amedeo Osti Guerazzi, Roberto Vivarelli
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Deutschlandfunk (2025): Mussolini – Italiens Weg in den Faschismus
Benito Mussolini war bereits fast drei Jahre lang Ministerpräsident, als er am 3. Januar 1925 endgültig den Weg Italiens in die Diktatur ebnete. Er übernahm öffentlich die Verantwortung für den Mord an einem politischen Gegner. JETZT ANHÖREN
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Er gilt als Erfinder des Faschismus: der Diktator Benito Mussolini. Über zwei Jahrzehnte lang steht er an der Spitze Italiens und stürzt am Ende sein Land in die Katastrophe. JETZT ANSEHEN
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Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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OT 1 Kriegserklärung Italien an Frankreich/GB am 10.6.1940
Rufe „Duce, Duce, Duce“ – L’ora delle decisione…
MUSIK
Erzähler:
Die Stunde der Entscheidung ist da, ruft Benito Mussolini am 10. Juni 1940, als er Frankreich und Großbritannien den Krieg erklärt. Die Menschen auf dem Platz vor dem Palazzo Venezia in Rom jubeln. Entscheidend ist dieser Tag in der Tat. Mit ihm beginnt auch die Geschichte der Republik von Salò. – Denn der 2.Weltkrieg überfordert Mussolinis Diktatur: Zwei Feldzüge in Äthiopien und Libyen haben Italien viel Kraft gekostet. Es ist Hitlers Blitzfeldzug durch Frankreich, der Mussolini in den Krieg lockt – er spekuliert auf einen Teil der Beute.
1943 hat Italien diese Hoffnungen begraben müssen. An allen Fronten ist das Bündnis mit dem NS-Regime, die so genannte „Achse“, in der Defensive. Amedeo Osti Guerazzi, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Padua sagt zur Kriegslage im Sommer 1943:
OT 2: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti-Guerazzi – Sommer 43
„The reports of the political police … in the hands of Hitler.”
Übersetzer:
“Die politische Polizei berichtete damals, dass die Menschen sauer waren über das Regime. Man wusste, der Krieg war verloren. Es war völlig sinnlos, gegen die Amerikaner zu kämpfen. Die Bombenangriffe der amerikanischen und britischen Luftwaffe hatten viele Städte bereits stark zerstört. Im Süden wie im Norden. Zudem hungerten die Italiener – Menschen starben, weil es nicht genug zu essen gab. Man war sich einig: Mussolini ist nur eine Marionette Hitlers.“
OT 3: Landung Sizilien
„Hello the OWI in New York – this is Allied Force Headquarters in North Africa. …
Erzähler:
Am 10.Juli 1943 merken alle, es wird ernst: Briten und Amerikaner beginnen die Invasion Siziliens. Die Landung führt dazu, dass Mussolinis Gefolgsleute das Vertrauen in ihn verlieren. Sie beantragen für den 24.Juli eine Sitzung des „Faschistischen Großrats“. Das Gremium hat seit 1939 nicht mehr getagt, ist eigentlich unnütz, meint Amedeo Osti Guerazzi:
OT 4: OV Amedeo Osti Guerazzi (Osti Guerazzi – Großrat)
„But it was the only way… to summon these hierarchs in the Gran Consiglio.”
Übersetzer:
“Aber es war der einzige Weg wie die Bonzen der Faschistischen Partei, Mussolini zwingen konnten etwas zu tun. Die intelligentesten unter ihnen hatten kapiert, dass der Krieg verloren war. Sie hatten Mussolini bekniet, den Faschismus zu retten – und damit sich selbst. Jetzt zwangen sie ihn zu handeln. Seltsamerweise ist er einverstanden – das Motiv ist bis heute unklar. Wir wissen nicht, weshalb er die Parteigrößen zum Faschistischen Großrat einberuft.“
MUSIK
Erzähler:
Man tagt zehn Stunden. Als ein Antrag gestellt wird, Mussolini das Kommando über die Streitkräfte zu entziehen und es König Viktor Emmanuel III. zu übertragen, schweigt der Duce. Prompt wird der Vorschlag angenommen. Konsterniert bittet Mussolini tags darauf um eine Audienz beim König. Dieser erklärt ihm dabei, er sei als Regierungschef entlassen und festgenommen.
OT 5: („Nachrichten des italienischen Rundfunks“ MB: W0030442Z00) - „Attenzione! Attenzione!... Pietro Badoglio.“
Erzähler:
Die Nachricht von Mussolinis Sturz ist eine Sensation. In Rom feiern die Menschen auf der Straße. Offiziell heißt es im Radio: Seine Majestät der König und Kaiser habe der Bitte Mussolinis entsprochen, ihn von den Ämtern als Ministerpräsident, Regierungschef und Staatssekretär zu entbinden. Diese Ämter seien Feldmarschall Pietro Badoglio übertragen worden.
Erzähler:
Ein 71jähriger General als Nachfolger eines Mannes, der für Millionen ein Idol war? Das bestürzt Millionen Italiener. Der Historiker Roberto Vivarelli erinnert sich, sein Vater habe als überzeugter Faschist von „Verrat“ gesprochen. Vivarelli lehrt nach dem Krieg Geschichte an italienischen Universitäten und forscht auch zu den Ursprüngen des Faschismus. Anfang dieses Jahrhunderts sorgt sein freimütiges Bekenntnis in Italien für Furore, der Staatsstreich gegen Mussolini 1943 sei für ihn als damals 13jährigen ein Schlag gewesen. Hier ein Ausschnitt eines Gesprächs mit Roberto Vivarelli aus dem Jahr 2004.
OT 6: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Staatsstreich
„Era colpito …all’interno di regime fascista stesso.“
Übersetzer II:
„Es war Frustration und auch Wut, weil es nicht möglich schien, dass die Dinge so enden würden. Wie Mussolini gestürzt wurde, schien für uns wie ein Verrat. Verrat seitens der Italiener, aber auch seitens einiger Faschisten, denn es war ja der Großrat, der den Sturz herbeiführte - gewissermaßen als Putsch innerhalb des faschistischen Regimes.“
Erzähler:
Die Hoffnungen des Monarchen in General Badoglio werden bald enttäuscht. Viktor Emmanuel hat Angst vor dem Kommunismus und einem Ende seines Königreichs. Gleichzeitig soll Badoglio die Deutschen daran hindern, Italien zu besetzen. Denn in Berlin ahnt man, dass Italien den Krieg gegen Briten und Amerikaner beenden will. So viele Probleme kann ein Polit-Neuling wie Badoglio nicht lösen, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi
OT 7: OV Amedeo Osti Guerazzi
„It was a failure, of course… where he was in the hands of the Anglo-Americans.”
Übersetzer:
“Das ging schief - klar. Das Einzige, was er schaffte, war auf Demonstranten gegen den Faschismus zu schießen. Er war unfähig, einen Waffenstillstand mit den Anglo-Amerikanern zu erreichen, der Hand und Fuß hatte. Er konnte die Rache der Deutschen nicht verhindern. Sie besetzten am 9./10.September das ganze Land. Daraufhin floh er mit dem König flugs in den äußersten Süden, nach Brindisi, wo er in den Händen der Alliierten war.“
MUSIK
Erzähler:
Die Schilderung zeigt, wie sich die Ereignisse überstürzen. Die Waffenruhe mit den Alliierten, die am 8. September 1943 publik wird, ist für die Deutschen Vorwand, ganz Nord- und Mittelitalien zu besetzen, Rom zu belagern und 800-tausend italienische Soldaten gefangen zu nehmen. Für Roberto Vivarelli, der in Siena lebt, ist die Einigung mit Amerikanern und Briten der Schlüsselmoment. Denn er zwingt alle sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen:
OT 8: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – 8. September
„Il momento decisivo … contre gli tedeschi.”
Übersetzer II:
„Der entscheidende Moment ist der 8. September, der Tag des Waffenstillstands. Denn ab da ging es bergab, sogar in einer kleinen Stadt wie Siena. Die Einwohnerschaft war gespalten. Es gab diejenigen, die für die eine Seite waren und diejenigen, die gar keine Haltung einnahmen. Die auf der anderen Seite zeigten sofort eine, sagen wir mal, positive Haltung zur Regierung des Südens. Also gegen die Deutschen. Entscheidend war also, für die Deutschen oder gegen die Deutschen zu sein.“
MUSIK
Erzähler:
Am 12. September befreien deutsche Fallschirmjäger Mussolini aus der Gefangenschaft in einem Hotel am Gran Sasso-Massiv. Für die Nazis ein Coup – auch der Empfang durch Hitler in dessen Hauptquartier in Ostpreußen. Dort erklärt dieser seinem einstigen Vorbild, SS und Wehrmacht seien nun die Herren in Italien. – Ein Eklat, den man durch eine Radiorede Mussolinis an seine Landsleute kaschieren will.
OT 9: Radio-Rede Mussolinis nach der Befreiung
„Camiceneri, italieni é italiane…
Erzähler:
Der Duce spricht an diesem 18. September aus München - sehr verhalten. Er verkündet, Italien werde den Kampf an der Seite Deutschlands wieder aufnehmen. - De facto ist die „Repubblica Sociale Italiana“, die er am 23. September 1943 ausruft, ein Staat von Hitlers Gnaden. Die erste Kabinettssitzung findet in der deutschen Botschaft in Rom statt. Da wissen aber alle schon, dass die Ministerien und Führungsriege des neuen Regimes an den Gardasee umziehen. Amedeo Osti Guerazzi:
OT 10: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – Saló
“First of all…it was secret.
Übersetzer:
Erstens lag Rom zu nahe an der Front. Zweitens verachtete Mussolini Rom, weil er hier verraten worden war am 25. Juli 43. Mailand war zu gefährlich - die US-Luftwaffe bombardierte die Stadt täglich. So kam man auf diesen Ort am Garda-See, in der Nähe wichtiger Nazi-Kommandostellen, wo ihn der SS-General Wolff überwachen konnte. Die Bezeichnung „Republik von Salò“ rührt daher, dass dort das Propaganda-Büro saß. So hieß es offiziell immer: „Salò sagt dieses, Salò berichtet jenes.“ Die Leute meinten, Mussolini sei dort. Aber wo er wirklich war, war geheim.“
OT 11: Musik Giovinezza - instrumental
Erzähler:
Zur Propaganda gehört auch, dass im Radio wieder die Faschisten-Hymne „Giovinezza“ ertönt. Auch das ein Zeichen, es ist alles wieder wie Juli 1943. Allerdings zieht Mussolini auch Lehren aus seinem Debakel. Das zeigt der offizielle Staatstitel „Repubblica Sociale Italiana“ – Italienische Sozialrepublik. Er soll an die populistischen Anfänge der faschistischen Partei im Jahr 1919 anknüpfen, sagt Amedeo Osti Guerazzi:
OT 12: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Name
„The first name, not given by Mussolini… against the monarchy, against the king, who betrayed him in July 1943.”
Übersetzer:
Zunächst dachten die Nazi-Bonzen – nicht Mussolini – als Bezeichnung an „Nationale Faschistische Regierung“. Mussolini wusste aber: der Begriff „Faschismus” kommt im September 1943 nicht mehr gut an bei den Leuten. Er argumentierte: Wir müssen zurück zum wahren Faschismus – dem sozialen Faschismus, populistischen Faschismus. So entstand “Italienische Sozialrepublik“. Klar, das ging auch gegen die Monarchie - den König, der ihn im Juli 43 verraten hat.“
MUSIK
Erzähler:
Im Alltag führt das zu einer Radikalisierung: einer verschärften Zensur, Polizei und Gestapo verstärken erheblich die Verfolgung der Juden – tausende landen nun in deutschen Vernichtungslagern in Osteuropa. Wer politisch missliebig ist, landet im Gefängnis. Drakonische Maßnahmen, die Italien spalten. Eine Minderheit der Bevölkerung bleibt Mussolini treu; eine Mehrheit wartet ab oder leistet Widerstand. Schätzungen zufolge schließen sich 150-tausend Männer und Frauen Partisanen- und Widerstandsgruppen an - „Partigiani“ oder „Resistenza“ genannt.
MUSIK
Erzähler:
Berühmt – und in unzähligen Versionen nachgesungen – wird ab Herbst 1943 die Partisanen-Hymne „Bella ciao“, ursprünglich ein Volkslied. Der Text handelt vom Abschied eines Partisanen von seiner Geliebten, ehe er sich in den Bergen versteckt. Der „Eindringling“, der besungen wird, sind die deutschen Besatzer Italiens.
Erzähler:
Die Fronten werden unübersichtlich, was das Misstrauen wachsen lässt und tausende italienische Zivilisten das Leben kostet. Berüchtigt sind die Massaker deutscher Soldaten in Orten wie Sant‘ Anna di Stazemma unweit von Pisa und Marzabotto bei Bologna. Auch in Rom schlagen die deutschen Besatzer erbarmungslos zu:
OT 14: Atmo „Fosse Ardeatine“
Erzähler:
Eine Landstraße im Süden der italienischen Hauptstadt windet sich an den Ardeatinischen Höhlen vorbei. Der Weg in die Gedenkstätte dort führt durch ein schmiedeeisernes Tor in einen weiten Innenhof, von dem aus man Gänge sieht. Am 24. März 1944 erschießt die SS hier per Genickschuss 335 italienische Geiseln, darunter 75 Juden – Vergeltung für einen Bombenanschlag der Widerstandsbewegung tags zuvor in Rom. – In den Höhlengängen sind zur Erinnerung steinerne Tafeln angebracht; in einem Mausoleum stehen die Särge der Hingerichteten – eine düstere Szenerie.
MUSIK
Erzähler:
Militärstrategen nennen Kriege zwischen Staats-Armeen und kleinen Guerrilla-Gruppen „asymmetrisch“. Sie sind zäh, verlustreich, kaum zu gewinnen. Deshalb akzeptieren die Deutschen widerwillig Truppen der Republik von Salò an ihrer Seite, vor allem für den „Partisanen-Kampf“. Hier zeigt sich deren militärischer Wert, sagt der Experte Amedeo Osti Guerazzi:
OT 15: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Truppen
„They were quite effective fighting against the partisans… Alessandro Pavolini was wounded – on the back, by the way.”
Übersetzer:
„Sie waren nützlich– einige von ihnen zumindest waren ganz gut. Die so genannten “Schwarzen Brigaden”, die Miliz der faschistischen Partei, waren dagegen ein Desaster: Wirkungslos, disziplinlos, ohne Material und Waffen
Erzähler:
Trotz der mangelhaften Ausrüstung ihrer Gegner tun sich Amerikaner und Briten schwer auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Erst Anfang Juni 1944 erreichen sie Rom. Die Stadt ist schwer mitgenommen, schreibt die Schriftstellerin Elsa Morante, eine Römerin, später in ihrem Roman „La storia“:
MUSIK
Zitatorin:
„In den letzten Monaten der deutschen Besatzung nahm Rom das Aussehen gewisser indischer Metropolen an, wo nur die Aasgeier ihr Futter bekommen.“
OT 17: Roosevelt – Rom ist gefallen
„Ladies and gentleman – the President of the United States. - My friends, yesterday… one up – two to go.”
Erzähler:
Anlässlich der Befreiung spricht in den USA Präsident Roosevelt im Radio. Die Deutschen haben Rom zur „offenen Stadt“ erklärt – sie wird nicht verteidigt. Roosevelt sagt: Dies ist die erste befreite Hauptstadt der Hitler-Allianz. Eine ist geschafft – zwei stehen noch aus.
Erzähler:
Die Symbolik der Befreiung Roms kann kaum überschätzt werden – hinter der reinen Machtfrage, wem die Hauptstadt gehört, verbirgt sich ein ideologischer Kontext. Deshalb habe der Verlust Roms dazu geführt, dass sich die weltanschauliche Perspektive der Faschisten von Salò weiter verschärft, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi:
OT 18: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – Bedeutung Rom
“Because since summer 1944 the fascists didn’t consider them (as) Italians anymore. … And the Italians were part of this plot against this Europe.”
Übersetzer:
“Ab Sommer 1944 betrachteten sich die Faschisten nicht mehr als Italiener, sondern als Verteidiger der Festung Europa, der europäischen Zivilisation. Sie wurden Nazi-Faschisten, versuchten, wie die Deutschen zu sein, so hart, so erbarmungslos, so verschlagen. Ihr Kampf als Faschisten richtete sich gegen Italiens Bevölkerung. Daher die blutigen Aktionen gegen Zivilisten. Daher sind die Faschisten dieser Zeit im kollektiven Gedächtnis Italiens so verhasst.“
Erzähler:
Das Überleben von Mussolinis Marionetten-Regime in Oberitalien wird dadurch erleichtert, dass Briten und Amerikaner im Herbst 1944 das Interesse an diesem Krieg verlieren. Sie ziehen ihre kampfstärksten Truppen ab nach Frankreich. So können Wehrmacht und Salò-Soldaten die „Goten-Stellung“, eine Verteidigungslinie von Carrara in Ligurien bis Pesaro an der Adria lange halten. Trotzdem verlässt Mussolini die Region am Gardasee kaum noch. Roberto Vivarelli, damals inzwischen 15, berichtet noch Jahrzehnte später von der Not bei seinen Einsätzen gegen Partisanen in Piemont und gegen Briten und Amerikaner bei Bologna.
OT 20: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Verpflegung
„Mentre in vece … mangiaba molto male.“
Übersetzer II:
„Verpflegung gab es nicht. Wenn, dann einmal in der Woche riesige Laibe Schwarzbrot. Ich erinnere mich an Stempel mit einem Datum darauf – sie waren Monate alt. Und dann hatten wir eine Art Salami und einige Bonbons, die angeblich Vitamine enthielten. In Piemont war die Versorgung ein Problem. Tatsächlich haben wir sogar versucht, Mehl von den Bauern zu bekommen und ab und zu auch ein paar Hühner zu stehlen, um sie an Ort und Stelle zu kochen, denn sonst war die Verpflegung wirklich übel.“
MUSIK
Erzähler:
Als Briten und Amerikaner Anfang April 1945 ihre Schlussoffensive starten, geht es mit Mussolinis Pseudo-Staat rasch zu Ende. Am 25.April stehen die Alliierten vor Mailand und die Partisanen rufen einen allgemeinen Aufstand aus. Mussolini sucht mit seiner Geliebten Claretta Petacci Schutz bei einem Trupp deutscher Soldaten, der nordwärts zieht, aber am Comer See von Partisanen gestoppt wird. Das besiegelt sein Schicksal. Stolz berichten einige der Partisanen später, wie sie das Paar am 28. April 1945 kurzerhand erschießen. Anschließend bringen sie die Leichen nach Mailand, wo sie geschändet kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt werden. Auch mit anderen Bonzen des Regimes wie Parteichef Pavolini macht man kurzen Prozess. Es beginnt eine Welle von Säuberungen. Schätzungen zufolge werden allein 1945 zwischen 5- und 8000 Gefolgsleute der Republik von Salò gelyncht. 10-tausende verlieren ihre Arbeitsplätze. Bis 1948 eine Amnestie kommt, sind viele politisch aktive Mussolini-Anhänger zu den Christdemokraten gewechselt. Dort ist es sicherer als im neu gegründeten „Movimento Sociale Italiana“, der an den Faschismus anknüpfen will. In derlei ultrarechten Gruppierungen der italienischen Nachkriegszeit sieht der Historiker Amedeo Osti Guerazzi das bleibende Erbe der Republik von Salò – und bezieht die „Fratelli d’Italia“ der derzeitigen Regierungschefin Georgia Meloni mit ein.
OT 22: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – MSI
„Movimento Sociale italiana … Italian Social Republic.”
Übersetzer:
“Italienische Sozialbewegung, Italienische Sozialrepublik – das soll Erinnerungen wecken. Erster Präsident des Movimento war Rodolfo Graziani, Verteidigungsminister und Generalstabschef von 1943 bis ’45. Bis in die 1970er Jahre war der ideologische Spielraum des Movimento gering. Dann machte Silvo Berlusconi den rechten Flügel akzeptabel. Und Georgia Meloni ist die Tochter einer langen, langen Geschichte. Auch wenn ich sie nicht für eine Faschistin halte, liegen die Wurzeln ihrer Partei in der Italienischen Sozialrepublik.“
MUSIK
Erzähler:
Der Marionettenstaat Hitlers wirft in Italien also Schatten bis heute. Benito Mussolinis Leiche wird 1945 übrigens zunächst anonym verscharrt, dann ausgegraben und in einen Sarkophag gelegt. Predappio, sein Geburtsort, wo der Sarkophag ausgestellt ist, gilt als Wallfahrtsstätte für Neofaschisten. Nicht wenige kommen in schwarzen Hemden.
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